Zurückverweisung Patentnichtigkeitsklage
Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung AZ: X ZR 64/13 vom 07.07.2015 sich grundsätzlich zum Umgang mit patentgerichtlichen Urteilen befasst.Findet eine Erstbewertung des Standes der Technik durch das Patentgericht nicht statt, hat der Bundesgerichtshof in der Sache selbst nicht zu entscheiden, sondern das Verfahren an das Bundespatentgericht zurück zu verweisen.
Da das Patentgericht – nach seinem Ausgangspunkt konsequent – sich mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents nicht befasst hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2 und 3 PatG).
Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens ist es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte Patentgericht bewertet wird und diese Bewertung durch den Bundesgerichtshof überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den Bundesgerichtshof (§ 119 Abs. 5 PatG) ist daher regelmäßig nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Standes der Technik durch das Patentgericht unterbliebenist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 60-62 – Polymerschaum I). Dafür, dass im Streitfall etwas anderes gälte, ist nichts erkennbar und wird auch von den Parteien nichts geltend gemacht.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist auch unter einem anderen Aspekt interessant. So hatte der Bundesgerichtshof dem Wortlaut des Patentanspruches Vorrang gegenüber der Patentbeschreibung eingeräumt.
Dies relativiert der Bundesgerichtshof in der aktuellen Entscheidung wie folgt:
Der Sinngehalt eines Merkmals ist mit Blick darauf zu ermitteln, was mit dem Merkmal aus der Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die Erfindung er-reicht werden soll. Dabei können der allgemeine wie auch der übliche fachliche Sprachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Mit Rücksicht darauf, dass Begriffe in einer Patentbeschreibung abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch benutzt werden können, ist letztlich aber der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgeblich. Für einen Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch ist umso weniger Raum, je mehr der Inhalt der Patentschrift auf ein abweichendes Verständnis hindeutet. Die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein „patenteigenes Lexikon“ darstellen. Auch der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der An- spruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt, schließt nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt. Funktion der Beschreibung ist es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel ist daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht.
Aber:
Nur wenn und soweit dies nicht möglich ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass aus Teilen der Beschreibung keine Schlussfolgerungen in Bezug auf den geschützten Gegenstand gezogen werden dürfen (BGH, Urteile vom 12. Mai 2015 – X ZR 43/13, juris Rn. 16 – Rotorelemente; vom 9. Juni 2015 – X ZR 101/13, juris Rn. 26 – Polymerschaum II, jeweils mwN).