LG Dortmund: Verbreitung ehrenrühriger Tatsachen
Das Landgericht Dortmund hatte in einem aktuellen Verfahren über die Verbreitung vermeintlich ehrenrühriger Tatsachen zu entscheiden.
Diesem Verfahren lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Der Kläger ist Redakteur bei der X (nachfolgend: X) und leitet dort das Ressort Recherche. Der Beklagte war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 01.09.2013 in der Essener Stadtverwaltung als Leiter des Stadtplanungsamtes (Fachbereich 61) tätig. In dieser Funktion war er u.a. mit stadtplanerischen Belangen im Zusammenhang mit dem Industriedenkmal UNESCO-Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen betraut. Herr C, ein Reporter der X, recherchierte über verschiedene Themen im Zusammenhang mit der Zeche Zollverein. Seine Recherchen und seine nachfolgende Berichterstattung in dem Recherche-Blog „Der Westen“, einem Portal der X-Mediengruppe, im Zeitraum 25.03. bis 03.06.2011 befassten sich u.a. mit der Frage, ob und inwieweit der Brandschutz in den Gebäuden der Zeche Zollverein – und hier insbesondere in der ehemaligen „Kohlenwäsche“ – ausreichend ist. Herr C berief sich in seinem Blog auf ein Brandschutzgutachten eines DEKRA-Sachverständigen aus Dezember 2009, das erhebliche Sicherheitsmängel in Bezug auf die Entrauchung der „Kohlenwäsche“ offengelegt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Blogeinträge wird auf das Anlagenkonvolut K1 (Bl. 10-17 d.A.) Bezug genommen. Aufgrund der Bedeutung des gesamten Industriedenkmals und wegen der Nutzung der Gebäude für diverse Veranstaltungen sorgte die Berichterstattung über den Brandschutz der Zeche Zollverein jedenfalls bis Mitte des Jahres 2011 in der Öffentlichkeit für große Aufmerksamkeit und erhebliche Diskussionen. Der Vater des Klägers arbeitete zu dieser Zeit in der Zeche Zollverein für den F Baukonzern I, der für das Gebäudemanagement verantwortlich war, ehe er von seinem Arbeitgeber – möglicherweise im Zusammenhang mit der Berichterstattung – auf einen Arbeitsplatz außerhalb der Zeche versetzt wurde.Der Beklagte nahm in seiner Funktion als Fachbereichsleiter 61 und damit Angehöriger der Verwaltung am 16.06.2011 ab 15:00 Uhr an einer Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung im Rathaus der Stadt Essen teil.“
Wegen dort getätigter Äußerungen nahm der Kläger den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.
Das Landgericht Dortmund befasste sich in seinem Urteil nicht mit den angegriffenen Äußerungen, sondern wies die Klage mit der Begründung ab, dass es an einer Wiederholungsgefahr fehle.
Nach Ansicht des Landgerichts Dortmund besteht keine Gefahr, dass sich die Äußerungen wiederholen.
Dazu führte das Gericht aus:“Auf die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angesprochene „Vermutung“ für die Wiederholungsgefahr kann sich der Kläger hier nicht berufen. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 08.07.1980 – VI ZR 177/78 – GRUR 1980, 1090, 1095 m.w.N. = „Das Medizin-Syndikat I“), dass zunächst „eine Vermutung dafür (spricht), dass der Beklagte (seine) Vorwürfe wiederholen“ wird, und dass an die Widerlegung dieser Vermutung strenge Anforderungen zu stellen sind. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung jedoch zugleich betont, dass sich diese „Vermutung“ jeweils nur auf eine Äußerung mit demselben ehrverletzenden Inhalt „des geschehenen Eingriffs“ beziehen kann, „an den sie anknüpft“. Gerade hieran fehlt es aber: Der (unterstellt) geschehene Eingriff kann sich nicht wiederholen. Denn der Beklagte ist bereits vor Erhebung der Klage Ende 2013 aus der Essener Stadtverwaltung ausgeschieden. Zumindest als Leiter des Stadtplanungsamtes kann der Beklagte die Äußerungen in Zukunft nicht mehr tätigen. Da die damaligen Äußerungen einen aktuellen Bezug – nämlich die damalige Berichterstattung in dem Recherche-Blog – hatten, entspricht die Annahme der Lebenserfahrung, dass jede zukünftige Äußerung des Beklagten einen anderen Bezug hätte, der mit der damaligen Situation nicht vergleichbar wäre (vgl. hierzu OLG Köln, Urt. v. 16.06.1992 – 15 U 47/92 – BeckRS 1992, 05031: fehlende Wiederholungsgefahr von während des Golfkrieges abgegebenen Äußerungen nach Kriegsende).“